Die Narrenzunft in Waldmössingen kann auf eine lange Fasnetstradition zurückblicken. Wie in den umliegenden Narrenstädten entwickelten sich im 19. Jahrhundert auch im, dem Oberamt Oberndorf zugehörigen Dorf Waldmössingen, örtliche Fasnetsbräuche.

 

Ein besonderes Zeugnis der damaligen Lebensverhältnisse gibt ein Haushaltsbuch des Kaufmanns Gruber. Er vermerkt, dass bereits 1848 in Waldmössingen ausgiebig Fasnet gefeiert wurde, er an der Fasnet im »Rössle« 1 Gulden und 12 Kreuzer verbraucht hat und es in seinem Generalwarengeschäft Tüchles- und Drahtlarven zu kaufen gab. Ein weiterer Nachweis von frühem Fasnetsbrauchtum in Waldmössingen geht aus den Lebensaufzeichnungen des Oberlehrers Rohrer aus dem Jahr 1876 hervor. Dort wird von »allerlei Mummenschanz und Narren« berichtet. Auch in den weitgehend autobiografisch angelegten Werken des Heimatdichters Vinzenz Erath finden sich Indizien dafür, dass die Fasnet schon früh ein wichtiger Bestandteil im Jahreslauf der bäuerlichen Gemeinde darstellte.

 

Die Masken und Vermummungen, die zur Fasnet getragen wurden, waren anfangs eher zufällig, doch mit der Zeit begann sich ein klareres Figurenrepertoire auszuprägen. Anfang des 20. Jahrhunderts gesellten sich zu den Dominos und schwarzen Kutten auch Narren mit Rollergeschell. Bei diesen sogenannten »Rollern« handelte es sich um ausgemusterte Weißnarrenkleider aus benachbarten Fasnetshochburgen. Diese Kleidle wurden auch aus Beständen eines Schramberger Friseurs beschafft und konnten bei den Gastwirten im Dorf ausgeliehen werden.

   
 
 
Rollerspringen
Roller von 1928
   
 
 

 

Die Fasnet in Waldmössingen entwickelte sich im Wesentlichen zu einer Straßen- und Hausfasnet. Die »Roller« zogen von Haus zu Haus, trieben regelmäßig eine Schar Kinder vor sich her und ließen diese Narrenreime singen. Über die Jahre entstand eine urwüchsige dörfliche, ganz in und mit den Waldmössingern verwurzelte Fasnet, die im Jahr 1935 in die Gründung der Narrenzunft mündete. Doch mit Kriegsbeginn 1939 endeten jäh alle Fasnetsaktivitäten und das Vereinsleben ruhte für viele Jahre.

 

Nach dem Krieg veranstalteten verschiedene Vereine eigene Fasnetsunterhaltungen und eine Neuformierung der Narrenzunft ließ auf sich warten. In den frühen 1960er-Jahren hatten die alten »Roller« viel von ihrer Anziehungskraft verloren. Ein eigenes Narrenkleid zu besitzen, stand bei vielen Waldmössingern auf der Wunschliste. Aus diesem Wunsch heraus entstand 1963 die »Hanselgilde«, deren Ziel es war, einen eigenen, ortsbezogenen »Hansel« zu schaffen und das längst gepflegte Fasnetsbrauchtum im Dorf fortzusetzen. Der Hanselgilde war es erfolgreich gelungen, den »Hansel«, den »Schantle« sowie den Waldmössinger Narrenmarsch im Dorf zu etablieren und eine lebendige Haus- und Straßenfasnet zu gestalten, bevor 1970 die Narrenzunft Waldmössingen wieder ins Leben gerufen wurde.

 

Die wieder gegründete Narrenzunft ging ihre Aufgaben mit Elan und Geschick an. Schnell war es dem Verein gelungen, die Fasnet in Waldmössingen in »goarnete« (geordnete) Bahnen zu lenken. Um die junge Generation noch näher an Brauchtum und Tradition heranzuführen, wurde die Idee eines dritten Narrenkleidles verfolgt und im Jahr 1989 konnte der Öffentlichkeit das »Jockele« vorgestellt werden.

 

 
 
Die Waldmössinger Narren: Hansel, Schantle und Jockele
 
 

 

 

Die Fasnet in Waldmössingen hat sich im Laufe der Jahrzehnte erfolgreich entwickelt, alte Brauchformen wurden erhalten, neue bildeten sich aus und die Narrenzunft wurde zu dem, was sie heute ist: ein elementarer Bestandteil der dörflichen Kultur. Die Narrenzunft Waldmössingen zählt heute knapp 500 Mitglieder und über 300 aktive Kleidlesträger. Sie ist Mitglied im Narrenring Oberer Neckar.

 

Weshalb »goarnet«? Die »Goarnete«, das ist schon seit langer Zeit der Ortsneckname, der in den Nachbargemeinden für die Waldmössinger verwendet wird. In einer Ortsbeschreibung des Oberamtes Oberndorf von 1868 wurde Waldmössingen sehr wohlwollend beurteilt. So heißt es dort wörtlich: »… ein freundlicher und gesunder Ort. Die Einwohner, ein kräftiger Menschenschlag, sind fleißig, mäßig, sparsam, an Ordnung gewöhnt und eifrige Kirchgänger …«. Seither versuchen die Waldmössinger diesem Urteil gerecht zu werden und treten nicht nur an der Fasnet stets »goarnet« in Erscheinung.

 

Wer sich im Detail darüber informieren möchte, wie sich die Fasnet in Waldmössingen entwickelt hat, kann das in dem im Jahre 2008 erschienenen Chronikkalender der Narrenzunft: »Traditionen leben. Die Geschichte der Waldmössinger Fasnet in Wort und Bild« nachlesen. Der Chronikkalender ist im Shop der Narrenzunft Waldmössingen erhältlich.

 
 
 
Der Chronikkalender